Nadja Rakowitz

Einfache Warenproduktion - Ideal und Ideologie

Gesellschaftskritik in emanzipatorischer, also demokratisch-sozialistischer Absicht ist im
Moment – besonders seit 1989 – kaum noch zu vernehmen. Die meisten zeitgenössischen
Positionen mit demokratisch-gesellschaftskritischem Anspruch haben den vielbeschworenen
„Sieg des Kapitalismus“ akzeptiert. Veränderung der Gesellschaft wird von ihnen nur noch
innerkapitalistisch gedacht. Versucht man nun – wider den Zeitgeist – dennoch, die bürgerliche
Gesellschaft an ihren Wurzeln zu kritisieren, wird einem beispielsweise von Helmut Dubiel, der
immerhin in den späten 80er Jahren „Die demokratische Frage“ wieder gestellt hat, folgendes
entgegnet: „Die westliche Linksintelligenz muss begreifen, dass das Modell der liberalen
Demokratie den Bezugsrahmen aller zukünftigen politischen Strategien ausmacht.“ „Und an die
Stelle jener finalen Fiktion tritt die historisch überhaupt nicht ausgeschlossene Möglichkeit, den
Kapitalismus bis zu seiner Unkenntlichkeit zu zivilisieren.“ Dies scheint nach dem
Zusammenbruch der staatssozialistischen Systeme in Osteuropa für einen großen Teil der
westeuropäischen „Linken“ die einzig mögliche politische Positionierung. Gesellschaftskritik, die
für sich beansprucht, demokratisch zu sein, ist für Dubiel und viele andere nur noch innerhalb
der Verhältnisse, also als Festhalten an kapitalistischer Produktionsweise, Markt, repräsentativer
Demokratie und Rechtsstaat möglich. Es wird deshalb auch kaum von der „bürgerlichen
Gesellschaft“, sondern nur noch von der ’Zivilgesellschaft’ gesprochen.