Anne-Kathrin Krug/Raiko Hannemann
Götz Aly: Warum die Deutschen? Warum die Juden?
Gleichheit, Neid und Rassenhass 1800-1933
Götz Alys nunmehr als Taschenbuch vorliegendes „Warum die Deutschen? Warum die Juden?“ befindet sich in der zeitgenössischen deutschen ‚Sachbuch’-Abteilung in schlimmster Gesellschaft mit den Alarmschriften Thilo Sarrazins oder Heinz Buschkowskys und muss daher als diskursives Phänomen ernst genommen werden. Ähnlich den Alarmisten aus Rathaus und Bundesbank, deren Bekundungen die „klassenlose Gesellschaft der Autofahrer, Kinobesucher und Volksgenossen“ allenthalben in glühende Aufregung versetzt haben, werden auch Alys selten kritisch bewertete Ausführungen im Feuilleton nationaler Krisenzeiten vielfach als mutige und undogmatische Einsichten gelobt. Alys besorgter Appell an die ‚Nation’ richtet sich an die ‚bürgerliche Mitte’, an die (Eigen-)Verantwortung. Diesem Hymnus an das bürgerliche Selbst-Bewusstsein und die (Markt-)Freiheit ist zu entnehmen, dass aus der (Vor-)Geschichte der Shoah nur eines zu lernen sei: Ein jeder und eine jede solle das Maximum aus sich herausholen. Aly, der häufig als „enfant terrible einer thesenstarken und öffentlichkeitswirksamen, wissenschaftlich fundierten historisch-politischen Publizistik“ vorgestellt wird, weiß sich hier einig mit Joachim Gaucks Mantra von „Freiheit und Verantwortung“ und Peter Sloterdijks in Buchform gepressten Hinweisschildern zum Trimm-Dich-Pfad im „fiskalischen Bürgerkrieg“ . ‚Philosophische’ Legitimationen menschengemachter Zwänge, unmenschlicher Zustände, erhalten mit Aly Beistand aus der Geschichtswissenschaft.